Gastartikel von Martin Danesch
Die Abwesenheit eines Plots ist die Mutter der meisten Schreibblockaden. Speziell Schreib-Neueinsteiger fühlen sich genervt, plotten zu sollen. Die Geschichte drückt schon mit dem Druck einer Wasserleitung und will endlich raus. Wofür dann so ein Schnickschnack?
1. Plot und Story
Ich kenne aus meiner Vergangenheit diese Sichtweise nur zu gut und ich kann mich auch gut genug noch an die Folgen erinnern. Ich setzte mich hin und schrieb auf Teufel komm raus und es ging auch flott dahin. Rund 150 Seiten lang. Dann geschah etwas Seltsames: der Druck ließ nach. Der Speicher schien leer und bald tröpfelte die Geschichte nur noch, bis auch das nachließ. Hurra, die erste Schreibblockade.
Beinahe jedem geht es so, der einfach drauflosschreibt, ohne sich Gedanken zu zwei Dingen zu machen: dem Ziel und den Wegpunkten dorthin. Genau diese zwei notwendigen Anker schafft man sich mit einem Plot. Die Geschichte als solche hat man ja üblicherweise vage im Kopf.
Bevor wir uns aufs Plotten stürzen noch eine Begriffsklärung. Stell dir dafür vor, deine Geschichte handelte von der Verwandlung des Oskar M., während er von Jaca nach Santiago de Compostela den Jakobsweg bewandert.
Dabei handelt es sich um eine Wegstrecke mit besagtem Anfangs- und Endpunkt, auf der Oskar in chronologischer Reihenfolge seine Erlebnisse hat. Das nennt man die Geschichte oder die Story.
Jetzt gibt es aber Gründe, warum sich Oskar auf den Weg macht, vielleicht eine Scheidung, die ihn dazu veranlasst, sich selbst besser kennenzulernen. Er zögert, wird abgeschreckt von der Mühsal, die ihn erwarten wird, rafft sich dann aber doch auf. Er wird unterwegs von Zweifeln geplagt, will aufgeben, erhält unerwartet Motivation, doch durchzuhalten. Schließlich fühlt er sich am Ende seiner Kräfte und gibt doch noch auf. Doch in dem Gasthof, von dem aus er per Bus zurückreisen möchte, trifft er einen bedeutend älteren Mann – das wäre doch gelacht, nicht wahr? – der ihn indirekt über seinen Stolz motiviert und mit dem gemeinsam er den Rest des Weges überwindet. Wahrscheinlich als anderer Mensch. Wovon dieser Absatz handelte, ist der Plot.
Der Plot ist die Struktur. Der Ausgangspunkt und das Ende und die definierten Wendepunkte unterwegs. Und darüber handelt dieser Artikel.
Wie alle anderen schreibratgebenden Hinweise ist auch der Plot keine willkürliche Sache, die sich irgendjemand in Brüssel ausgedacht hat. Der einfachste Plot ist der klassische Dreiakter, den man bereits im antiken Griechenland erfolgreich anwendete. Ich möchte hier nicht auf Sinn und Aufbau eines Plots weiter eingehen, sondern zeigen, wie man mit Patchwork plottet.
Das Plotten ist dabei ein mehrstufiger Prozess, der bis zum fertigen Szenengerüst gehen kann. Nicht muss.
2. Schritt 1 – plotten
Man muss nicht mit einem neuen Projekt beginnen, um zu plotten. Wenn man es tut, dann ist das Plotten eine von fünf Optionen, mit denen man ein Projekt beginnen kann (1): Besteht das Projekt bereits, beginnt man über die Menüfunktion Hauptmenü › ‚Projektbezogen‘ › ‚Plotten‘. Mit beiden Einstiegen landen wir bei dem Plotfenster:
Als Erstes entscheiden wir uns für ein Plot-Konzept (1). Vater aller ist der klassische Dreiakter. Alle anderen sind Erweiterungen. Für lange Geschichten, also etwa Romane, empfiehlt sich die Wahl einer detaillierteren Struktur, zum Beispiel Heldenreise, Schneeflockenmethode oder Waldscheidt-Dreiakter. Für eine Kurzgeschichte ist Plotten auch nicht verkehrt. Aber hier werden Drei- oder Fünfakter ausreichenden Halt bieten.
Haben wir uns entschieden, werden die Stufen des gewählten Konzepts links angezeigt (2). Auffallend ist die Reihenfolge (3) der Zahlen auf der rechten Seite der Stufen. Diese Zahlen sind eine Empfehlung für die Abfolge der Abhandlung der Punkte. Warum mit dem Ende beginnen? Weil wir dadurch gezwungen sind, das Ende klar zu formulieren. Ende und Anfang sind die Antipoden der Geschichte. Wir tun uns leichter, wenn wir das Ziel, also das Ende, bei der Entwicklung ständig vor Augen haben. Die Reihenfolge ist kein Muss, aber empfehlenswert.
Sobald man links auf eine Stufe klickt, wird rechts oben der dazugehörende Beschreibungstext angezeigt (5). Ab nun sind wir gefordert: Im freien Bereich (6) schreibt man eine Kurzbeschreibung (keinen Roman!) zu der aktuellen Stufe. Ist man damit fertig, wählt man die nächste Stufe links (2) aus. Gibt es zu einer Stufe bereits selbsterfassten Text, so wird diese Stufe grün markiert (4).
Erst wenn sämtliche Stufen ausgefüllt sind, wird die Option zum nächsten großen Schritt sichtbar: zur Weitergabe ans Kreativboard (7). Dort wird daraufhin zu jedem Schritt eine Karteikarte generiert. Der Titel der Karte wird die Bezeichnung der Stufe (2) sein, der Text der selbst erstellte Text (6).
Oben links (8) können wir die Größe der zukünftigen Karteikarten bestimmen.
3. Schritt 2 – Übergabe an das Kreativboard
Mit der Übergabe durch die Schaltfläche [Machs!] (7, oberes Bild) werden im Kreativboard für jede Stufe Karteikärtchen erzeugt.
In jedem Kärtchen findet man seine Stufen wieder: Die Bezeichnung der Stufe (1) und den Text, den man dazu geschrieben hat (2). Möchte man nun zu bestimmten Stufen in die Tiefe gehen, wählt man ein Kärtchen aus (3) und klickt mit der rechten Maustaste darauf. Im erscheinenden Menü kann man nun zu diesem Eintrag eine neue Instanz anlegen (4). Damit öffnet sich eine neue, leere Ebene, die man nun manuell mit neuen Karteikärtchen bestücken kann, die zu dieser Stufe die einzelnen Szenen werden können.
4. Schritt 3 – Kapitel generieren lassen
Mit wenigen Mausklicks lassen sich aus diesen Karteikärtchen nun Kapitel erzeugen:
Man markiert alle Szenen, die übernommen werden sollen (1), wonach man auf eine der markierten mit der rechten Maustaste klickt. Nach Auswahl des Menüpunkts ›Szenen zu den … gewählten Textelementen erzeugen‹ (2) erscheint ein Fenster mit ein paar Einstellungen (3).
So kann man bestimmen, ob die zu übernehmenden Kärtchen hinter einem gerade markierten Kapitel eingefügt oder ihm untergeordnet werden sollen (4). Das ist natürlich nur relevant, wenn bereits Kapitel vorhanden sind. Es kommt zum Beispiel dann zum Tragen, wenn die markierten Kärtchen in einer Unterinstanz (also weiteren Kreativboardebene) dem übergeordneten Kapitel untergeordnet werden sollen. Als Reihenfolge (5) wird man meistens ›nach Position‹ wählen, weil das vermutlich auch die gewollte Szenenreihenfolge werden soll. Ein späteres Umschichten ist aber kein Problem. Weiterhin kann man angeben, was die Kärtchen werden sollen (6), in unserem Fall Hauptkapitel. Wären bereits mehrere Erzählstränge im vorliegenden Werk angelegt, könnte man hier die Kärtchen schon zuordnen (7).
Mit Drücken der Auslöseschaltfläche (8) werden die Kapitel erzeugt.
Nun sind wir am Beginn des eigentlichen Schreibens angelangt. Während man bisher im Reiter ›Kreativboard‹ (1) gearbeitet hat, aus dem die Kapitel erzeugt wurden, so wechselt man nun zum Reiter des Textbereichs (3), wo das Schreiben selbst stattfindet. Auf dem Bild kann man erkennen, dass aus den Plot-Stufen (2) Kapitel wurden und aus den zu den Stufen verfassten Texten der … Pitch der Szene (4).
Jetzt werden wir, durch die Kapitel (5) gegliedert, im Textbereich (6) den Text der Geschichte schreiben. Als Richtlinie steht uns pro Szene der Pitch (4) zur Verfügung. Wird der Pitchtext hier geändert, so wird er automatisch mit dem dazugehörenden Karteikärtchen synchronisiert und umgekehrt.
Zugegebenermaßen haben wir einige Zeit verbraucht, bevor wir nun ans eigentliche Schreiben gehen können. Aber je ernster wir diese Planung bis hierher genommen haben, umso fließender wird die Geschichte voranschreiten. Vor allem die Gefahr des Verfransens oder Auslaufens und damit verbundenen Schreibblockaden sind auf ein marginales Maß reduziert.
Wie detailliert man diese Vorplanung macht, bleibt natürlich jedem überlassen. Man kann Teile davon auslassen und man kann nachplotten und Szenen umbauen. Alles ist möglich. Hauptsache, man hat die Grundstruktur seiner Geschichte beim Schreiben immer im Augenwinkel.
Wen es in den Fingern juckt: viel Spaß mit dieser professionellen Herangehensweise an die nächste Geschichte!